Mittwoch, 5. Januar 2011

Ein Christ kann guten Gewissens Soldat sein

"Ich befürchte ein abruptes Erwachen"

Militärbischof Martin Dutzmann über die Zukunft der Bundeswehr und die Soldatenseelsorge

Martin Dutzmann
Christus hat uns eindeutig den Weg der Gewaltlosigkeit vorgezeichnet. Aber es gibt Situationen, in denen die Gewalt nur gewaltsam verhindert oder beendet werden kann. Es ist nicht so, dass derjenige, der konsequent keine Gewalt androht oder anwendet, schuldlos aus der Situation herauskäme.


zeitzeichen:
Herr Bischof, kann ein Christ eigentlich guten Gewissens Soldat sein? Soldaten müssen ja im äußersten Fall töten. Kann man seinen Feind lieben und ihn dennoch töten wollen?
Martin Dutzmann
Neulich habe ich einen pensionierten General getroffen, der hat mir gesagt: "Wissen Sie, ich konnte nur Soldat sein, weil ich Christ bin. Ich hätte mit den ungelösten ethischen Fragen, die zum Soldatsein gehören, insbesondere der Frage der Schuld, nicht umgehen können." Das ist vielleicht nicht ganz die Antwort, die Sie erwartet haben, aber es ist eine.
Inwiefern beantwortet das Christentum die "ungelösten ethischen Fragen"?
Martin Dutzmann
Christus hat uns eindeutig den Weg der Gewaltlosigkeit vorgezeichnet. Aber es gibt Situationen, in denen die Gewalt nur gewaltsam verhindert oder beendet werden kann. Nehmen Sie Ruanda 1994. Da hat die internationale Gemeinschaft das nicht getan und sich gerade dadurch schuldig gemacht. In solchen Situationen gibt es nur die Wahl zwischen Schuld und Schuld, zwischen unterlassener Hilfeleistung und Gewaltanwendung. Es ist nicht so, dass derjenige, der konsequent keine Gewalt androht oder anwendet, schuldlos aus der Situation herauskäme. Und von daher antworte ich wirklich auf Ihre Frage: Ja, ein Christ kann guten Gewissens Soldat sein.
Zeit- und Berufssoldaten schwören seit Gründung der Bundeswehr, das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes zu verteidigen. Ist der Wortlaut des Eides, der ja ursprünglich auf die direkte Verteidigung des Territoriums und Westeuropas gerichtet, gemünzt war, noch zeitgemäß?
Martin Dutzmann
Danach ist in der Vergangenheit immer wieder gefragt worden. Es ist auch 1994 gerichtlich überprüft worden. Ich denke, er ist zeitgemäß, wenn man ihn nicht exklusiv national versteht. Das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes zu verteidigen - dieses muss heute im internationalen Kontext gesehen werden. So verstanden ist die Eidesformel korrekt.
Die Frage ist, ob das Schwören überhaupt christlich angemessen ist. Schon 1969 haben Militärpfarrer in Bad Ems eine Abschaffung des Eids für Soldaten gefordert. Wäre es an der Zeit, diese Forderung aufzunehmen? Sollte der Eid nicht abgeschafft werden?
Martin Dutzmann
Dann müsste er in allen gesellschaftlichen Bereichen abgeschafft werden, etwa vor Gericht. Aber es geht nicht darum, Gott zu seinem Zeugen zu machen, um sich selber eine bessere Position zu verschaffen. Das ist übrigens das, was Jesus nach meinem Verständnis in der Bergpredigt kritisiert. Es geht vielmehr um ein verbindliches Versprechen, das überprüfbar und einklagbar ist. Wer einen Eid bricht, ist belangbar. Das halte ich für richtig.
Die Tradition des Eides in der deutschen Militärgeschichte ist eher eine verhängnisvolle.
Martin Dutzmann
Natürlich gab es einen Missbrauch des Eides, dem auch ein völlig falsches Verständnis zugrunde lag. Ich denke natürlich an den Führereid. Niemand wird durch einen Eid aus seiner Gewissensverantwortung entlassen. Dies ist auch im Konzept der "Inneren Führung" anerkannt. Natürlich muss jeder, der seinen Eid nicht hält, zunächst einmal die Konsequenzen tragen. Anders ist das nicht zu machen.
Militärpfarrer sind Staatsbeamte auf Zeit. Besteht da nicht die Gefahr der Überidentifikation, indem etwa ein Militärgeistlicher nicht mehr so recht unterscheidet zwischen seinem Auftrag und dem, was das Militär von ihm verlangt?
Martin Dutzmann:
Wir haben seit 1957 den Militärseelsorgevertrag, der festlegt, dass Militärpfarrer Bundesbeamte auf Zeit sind. Insgesamt haben wir also weit über fünfzig Jahre Erfahrung damit. Ich kenne keinen Fall, wo etwa ein Pastor in der Freiheit seiner Verkündigung behindert worden wäre durch diese staatliche Einbindung.
Was die Überidentifikation angeht, so kann die meines Erachtens unabhängig vom Anstellungsträger oder vom Anstellungsverhältnis auftreten. Da müssen wir wachsam sein, schon bei der Einstellung und auch danach. Wenn jemand zum Beispiel sich allzu gern in der grünen Schutzkleidung, also im Tarnfleckzeug ablichten lässt, und solche Fotos womöglich ins Internet stellt, schauen wir genauer hin. Es gibt eine ganze Reihe von Anzeichen, die uns zur Wachsamkeit aufrufen. Zunächst sucht man dann das Gespräch.
Warum muss es eigentlich einen ­Militärbischof geben?
Martin Dutzmann:
Genau aus diesem Grund. Militärseelsorge ist eine Aufgabe der Kirche, eine Gemeinschaftsaufgabe der Landeskirchen und der ekd. Sie geschieht im kirchlichen Auftrag und unter kirchlicher Aufsicht. Das heißt, die Gesamtleitung der Militärseelsorge ist kirchlich, und damit ist dieses Moment der kritischen Solidarität in der Spitze verankert. Übrigens nimmt der Militärbischof sein Amt immer nebenamtlich war. Das ist wichtig; die EKD legt Wert darauf - und ich auch: Das vermindert die Gefahr, dass sich militäraffine Scheuklappen bilden.
Kommen wir auf Afghanistan zu sprechen. Die Soldatenseelsorge wurde durch den Einsatz in Afghanistan vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Welche sind besonders gravierend?
Martin Dutzmann:
Das lässt sich gar nicht so leicht abstufen. Da sind zunächst einmal die seelsorgerlichen Herausforderungen, die schlicht mit der Trennung des Soldaten von seiner Familie zu tun haben. Abgesehen vom Trennungsschmerz kommt es immer wieder zu kritischen Situationen: Zu Hause stirbt der Opa. Oder die Freundin hat sich getrennt. Oder das Kind ist krank geworden. Schon hier muss der Seelsorger Einfühlungsvermögen beweisen. Oder die Fragen, die sich direkt aus dem Einsatz ergeben: Was ist, wenn ich töten muss?
Was ist, wenn ich als Vorgesetzter einem anderen zumuten muss, zu töten?
Wie groß ist die Nachfrage nach seel­sorgerlicher Begleitung?
Martin Dutzmann:
Hoch, auch wenn ich das nicht beziffern kann. Seelsorgegespräche ergeben sich oft am Rande, sind dann nicht ausdrücklich als solche definiert. Schon deshalb ist es gut, dass unsere Seelsorger über einen vollen Einsatzturnus, also vier Monate, vor Ort sind. Nur so ergibt sich ein Vertrauensverhältnis, das die Kontakte en passant möglich macht. Im Übrigen: Auch die Gottesdienste sind gut besucht.
Wie werden die Seelsorger auf die Einsätze vorbereitet?
Martin Dutzmann:
Zuerst einmal machen sie die komplette Einsatzvorbereitung und Nachbereitung mit, die auch die Soldaten absolvieren und zwar in dem Kontingent, mit dem sie dann unterwegs sein werden. Darüber hinaus empfehlen wir ihnen dringend, im Anschluss an den Einsatz, Supervision in Anspruch zu nehmen. Außerdem machen wir einen eigenen Vorbereitungskurs durch das Evangelische Kirchenamt in der Bundeswehr, in dem die spezifisch seelsorgerlich- ethischen Fragen reflektiert werden. Im Übrigen sorgen wir für laufende Seelsorgefortbildung.
Der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms, hat in den vergangenen Monaten immer wieder eine klare Abzugsperspektive aus Afghanistan gefordert. Unterstützen Sie diese Forderung?
Martin Dutzmann:
Ja. Eine Abzugsperspektive muss sein. Ich halte es allerdings für verfehlt, einfach eine Jahreszahl zu nennen. Das wäre kontraproduktiv. Es müssen vielmehr Zwischenziele festgelegt werden, deren Erreichen Bedingung dafür ist, dass abgezogen wird. Also: Wenn im Jahre 2013 das und das erreicht ist, dann können wir uns aus den und den Provinzen zurückziehen. Diese Benchmarks werden natürlich zusammen mit den internationalen Partnern entwickelt. Wir müssen wissen, was wir wollen, auch die Bundesregierung muss wissen, was sie will. Ich glaube, sie ist auf dem Weg, es herauszufinden, um einmal diplomatisch und optimistisch zugleich zu antworten.
Wie reagieren Politiker oder Militärs, wenn Sie sich so dezidiert zu politischen Fragen äußern?
Martin Dutzmann:
Ausgesprochen positiv. Also die Militärs sowieso, für die ist das Thema "genaue Zieldefinition für Afghanistan" außerordentlich wichtig. Kürzlich hielt ich bei einer Veranstaltung in Koblenz den Hauptvortrag. Bei der Begrüßung sagte ein General: "Na ja, Sie äußern sich ja oft friedensethisch, und ich bin ja auch nicht immer mit allem einverstanden, aber es ist gut, dass Sie das tun." Das habe ich als Kompliment verstanden. Und was die Politik angeht, so stellen wir immer wieder fest, dass Dinge, die wir anregen - mag sein, in veränderter Form -, eingelöst werden.
Haben Sie ein Beispiel?
Martin Dutzmann:
Wir haben, ausgehend von der Friedensdenkschrift der EKD, immer wieder den Vorrang und eine Verstärkung des Zivilen gefordert. Nun bilde ich mir nicht ein, dass es nur darauf zurückzuführen ist, dass die Bundesregierung die zivilen Mittel mehr als verdoppelt hat. Aber ich glaube, das war sicher auch ein Mosaikstein zu dieser Entscheidung.
Gesetzt den hypothetischen Fall, Sie kämen mit anderen in der Kirche und möglicherweise auch unter der Hand mit Militärs zu dem Schluss, dass der Einsatz in Afghanistan völlig sinnlos sei, weil ohne jede Aussicht auf Erfolg. Wie würden Sie reagieren?
Martin Dutzmann:
Der Fall ist so hypothetisch nicht. Darüber machen wir uns ständig Gedanken. Denn in diesem Fall gerieten wir in eine Zwickmühle zwischen unseren ethischen Überzeugungen und unserer seelsorgerlichen Verpflichtung. Erstere gälte es nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen - und dennoch müssten wir unserer seelsorgerlichen Verpflichtung weiter nachgehen.
Wir würden weiterhin mit den Soldaten nach Afghanistan gehen, denn es ist nicht deren Schuld, dass sie da sind. Ihr Anspruch auf die Begleitung durch ihre Kirche bleibt. Natürlich würden wir in diesem Falle alles Erdenkliche tun, damit diese Situation ein Ende nimmt.
Wie steht es mit der Ökumene in Sachen Militärseelsorge? Gibt es gemeinsame Vorbereitungen - und wie ist die Zusammenarbeit vor Ort in den Einsatzgebieten?
Martin Dutzmann:
Die Zusammenarbeit vor Ort in den Einsatzgebieten ist insgesamt hervorragend. Wir sind auch darauf angewiesen. Denn wir haben nicht alle Orte doppelt besetzt. In Afghanistan etwa nur Masar-e Scharif. Dort gibt es Seelsorger beider Konfessionen. In Kundus wechseln sich ein Katholik und ein Protestant ab. Das heißt, wir müssen darauf vertrauen, dass die jeweils andere Konfession die unserer Konfession angehörigen Soldaten zuverlässig und gut betreut.
Das bedeutet also, dass Soldaten der einen Konfession auch die Gottesdienste der anderen besuchen?
Martin Dutzmann:
Ja. Wenn in Kundus nur ein katholischer Seelsorger ist, gehen unsere evangelischen Soldaten in den katholischen Gottesdienst. Und ich vermute, dass sie auch an der Eucharistie teilnehmen. Das katholische Kirchenrecht kennt die Möglichkeit, dass katholische Priester in dieser existenziell-lebensbedrohlichen Situation die Eucharistie ökumenisch austeilen dürfen. Die evangelische Kirche lädt die katholischen Geschwister ja grundsätzlich zum Abendmahl ein. Allerdings werden wir im ökumenischen Miteinander darüber im Moment nicht herauskommen können. Die katholische Kirche vertritt dazu eine klare Position .
Kommen wir auf die bevorstehenden Änderungen in der Bundeswehr zu sprechen. Begrüßen Sie die Aussetzung der Wehrpflicht?
Martin Dutzmann:
Nein und ja. Ich bin selbst Soldat gewesen, in einer Bundeswehr, die allerdings noch eine richtige Wehrpflichtarmee war, 1974 bis 1976. Damals fand man bei der Bundeswehr noch einen Querschnitt durch die Gesellschaft. Das heißt, die Wehrpflicht war ein gutes Modell für die Bundesrepublik von 1949 bis 1989/90.
Seitdem hat sich das dramatisch verändert, rein zahlenmäßig und auch strukturell, so dass die Leistungsfähigkeit der Wehrpflicht immer mehr eingeschränkt wurde. Die Friedensdenkschrift von 2007 nimmt hier klar Stellung: Wehrpflicht nur, wenn es zur Landesverteidigung unbedingt nötig ist. Nun ist die Landesverteidigung nicht mehr auf die Wehrpflichtigen angewiesen. Insofern ist es konsequent, die Wehrpflicht de facto abzuschaffen.
Welche Konsequenzen hat die Verkleinerung der Bundeswehr für die Organisation der Militärseelsorge?
Martin Dutzmann:
Wir müssen aufpassen, dass die Militärseelsorge nicht eingeschränkt wird. Denn die neue Struktur bringt mit sich, dass viel mehr Soldaten in Einsätzen unterwegs sein werden. Das bedeutet, dass ethische Bildung noch mehr gefragt sein wird und ebenso seelsorgerliche Begleitung. Insofern werden wir alles tun, damit wir den Status quo von einhundert Stellen erhalten können.
Wie steht es mit der Gefahr, dass sich in einer künftigen Berufsarmee ein ganz anderer Korpsgeist entwickelt - möglicherweise auch einer, der wenig mit den Idealen der Inneren Führung zu tun hat und umso mehr mit Kämpfermythen?
Martin Dutzmann:
Das würden wir durch unsere Seelsorger relativ schnell mitbekommen. Allerdings kann sich so etwas auch schleichend vollziehen. Solch einem Trend zur Abkopplung von der Gesellschaft muss in jedem Fall unverzüglich und energisch entgegengetreten werden. Übrigens auch der Gefahr, dass die deutsche Gesellschaft durch Desinteresse eine solche Tendenz fördert.
Schon jetzt lässt sich beobachten, dass weite Teile der Gesellschaft einschließlich der Kirchen sich überhaupt nicht dafür interessieren, was passiert, nach dem Motto, wer meint, er müsse Soldat sein, soll das eben machen. Andere Leute hätten andere Berufe. Kritisch wird es, wenn ein Soldat verwundet aus Afghanistan zurückkommt, zum Beispiel ein Bein verloren hat und sich dann sagen lassen muss, du hättest ja auch Lehrer werden können. Die Gefahr der Abkopplung ist eine doppelte. Ich halte es für meine Aufgabe, dies in der Kirche immer wieder zum Thema zu machen.
Sie sind Landessuperintendent der lippischen Landeskirche. War es schwierig für Sie dort als neuer EKD-Militärbischof? Immerhin gilt Lippe innerhalb der EKD als sehr friedensbewegte Landeskirche.
Martin Dutzmann:
Sie sieht sich gerne selber so und zehrt von den friedenspolitischen Aktivitäten der Achtzigerjahre. Die wurden mir auch entgegengehalten vor zweieinhalb Jahren, als diese Entscheidung öffentlich wurde. Ich habe sehr offensiv reagiert und gesagt, dann lasst uns doch über die Friedensethik streiten. Da stellte sich heraus, dass viele höchst ungenaue Vorstellungen davon hatten, was im Augenblick friedensethisch eigentlich Sache ist.
Ich muss aber sagen, viele der alten Friedensbewegten aus den Achtzigerjahren, die mit Friedensgebeten und mit Aktionen die ganze Zeit über durchgehalten haben, begleiten meinen Weg kritisch und solidarisch. Das tut gut. Aber das Gros ist desinteressiert. Wie die übrige Gesellschaft auch. Es gibt kein militärisches Bedrohungsempfinden mehr. Von daher fragen sich große Teile der Bevölkerung, wozu brauchen wir überhaupt diese Bundeswehr? Unsere Jungs sollen 'raus aus Afghanistan, das ist noch nie gut gegangen.
Letzteres stimmt ja bis dato, was Afghanistan angeht. Es wartet noch auf seine Widerlegung.
Martin Dutzmann:
Ja. Und trotzdem haben wir in einer globalisierten Welt Verantwortung. Wir können nicht fröhlich Bananen aus afrikanischen Ländern essen oder Kaffee und Kakao genießen und gleichzeitig sagen, ob ihr oder wer auch immer euch das Leben zur Hölle macht, ist uns egal.
Was lässt sich gegen solche Lethargie tun?
Martin Dutzmann:
Ich sage einfach, was ich selber tue. Ich versuche, innerhalb unserer ­Kirche das Thema präsent zu machen, ich halte sehr viele Vorträge. Ich merke auch, das ist ein ganz dickes Brett. Doch wenn man nur lange genug bohrt, bekommt man ­Unterstützung. Das erfordert Geduld.
Ich fürchte, das Interesse der Gesellschaft könnte allzu abrupt erwachen, etwa in dem Augenblick, wo es einmal ganz viele Tote gibt.
Ich war im vergangenen Jahr in Afghanistan, in Kundus. In dem Lager schlagen mit einer gewissen Regelmäßigkeit Raketen ein. Man staunt, dass es hier noch keinen Toten gegeben hat. Wenn Sie die Auswirkungen sehen, wenn Sie hören, dass schon mal nachts eine Rakete durch die Kantine geflogen ist, dann wissen Sie, es kann doch nur eine Frage der Zeit sein, bis wir einmal viele Tote und Verwundete aus diesem Lager bringen. Ich befürchte, dass dann diese Republik verrückt spielt, ganz einfach, weil sie nicht darauf vorbereitet ist.
Deswegen meine ich, wir müssen die Bevölkerung jetzt dafür interessieren und allen raten: Liebe Leute, fragt eure Abgeordneten, stellt euch ihnen auf die Füße, fragt, warum macht ihr das in Afghanistan, wo sind die Ziele, wie kommen wir da wieder raus.
Sie haben vorhin mit der Erinnerung an Ruanda für militärische Intervention aus humanitären Motiven plädiert. Nun gibt es aber so viele Problemgebiete auf dieser Welt, dass jede Auswahl, wo man eingreift, mehr oder minder zufällig sein wird oder von anderen Erwägungen oder Absichten abhängt.
Martin Dutzmann:
Natürlich können wir nicht überall helfen und auch nicht überall eingreifen. Selbst dann nicht, wenn wir uns strikt an die vier Faktoren halten, die die Friedensdenkschrift mit ihrem Leitbild des gerechten Friedens nennt: Schutz vor Gewalt, Abbau von Not, Förderung der Freiheit und Anerkennung von kultureller Vielfalt. Wir können nicht überall, wo es nötig wäre, einen Beitrag zum gerechten Frieden leisten, aber wir dürfen es auch nicht ausschließen, wenn ein Fall etwa so krass liegt wie seinerzeit der in Ruanda.
Wie steht es mit anderen Gründen zu militärischem Eingreifen? Das Weißbuch von 2006 redet von sicherheitspolitischen Interessen, auch von einem deutschen Interesse an freien Handels­wegen.
Martin Dutzmann:
Ja, darüber ist Bundespräsident Horst Köhler gestolpert. Ist es legitim, dass Handelswege mit militärischen Mitteln geschützt werden, ja oder nein? Ein Diskurs darüber steht noch aus. Auch die 2007 erschienene Denkschrift der EKD behandelt diese Frage nicht, obwohl sie im Weißbuch von 2006 klipp und klar bejaht wurde.
Sie sind etwas mehr als zwei Jahre im Amt. Was war Ihr bewegendstes Erlebnis?
Martin Dutzmann:
Die Reise nach Afghanistan. Sie hat mir mehr Fragen als Antworten beschert, mich aber auch in einer Weise in den Diskurs hinein gebracht, wie das ohne die Reise nicht möglich gewesen wäre. Und: Ich habe dort Soldaten kennen gelernt, die ganz hervorragende Arbeit leisten.
Das Gespräch führten Kathrin Jütte und Helmut Kremers am 25. November in Berlin.
Martin Dutzmann, 54, ist seit zweieinhalb Jahren evangelischer Militärbischof im Nebenamt und lippischer Landessuperintendent.



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2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Natürlich kann ein Christ kein Soldat sein. Oder steht irgendwo in der Bibel: "Ich töte dich Namen des Vater des Sohnes und des Heiligen Geistes"? Natürlich nicht! Aber vieleicht ist es einfach ein geiles Gefühl so eine große Waffe in der Hand zu halten und man sieht wie einem 5-jährigen afghanischen Junge der Schädel zerfezt wird? Ja da möchte Super-Mann alias Bundeswehr-Rambo gerne das Blut mit einem Strohhalm schlürfen.

Nein - Nein entweder man ist Christ oder Bundeswehr-Faschist, Mensch oder Kriegsverbrecher - selbst Vater oder Kinderschänder!

Janchen hat gesagt…

Ich nehme mal an, dass sie zu denen gehören, die sehenden Auges zuschauen würden, wie ihre eigene Familie abgeschlachtet wird? Nicht wahr?

Schon mal etwas von Selbstverteidigung gehört?

Ich gehöre zu denen, die all das verteidigen würden, dass ich liebe. Meine Familie - meine Kirche - mein Land. Meine Gesellschaft.


Nur darum ging, Sie nicht verstehender Leser .....


Gruß Christiane