Freitag, 28. September 2012

Türkei: Wie weit ist es mit der Religionsfreiheit?

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Der Jahresbericht der Vereinigung protestantischer Gemeinden der Türkei von 2011 gibt Einblick

(Institut für Islamfragen, mk, 28.09.2012) Nach dem Jahresbericht der „Vereinigung Protestantischer Gemeinden der Türkei“ von 2011 gab es auch im Jahr 2011 in der Türkei aus Hass motivierte Verbrechen gegen Christen. Es gab sowohl physische Attacken gegen Protestanten als auch Angriffe gegen ihre Kirchen. 5 Pastoren und auch Gottesdienste erhielten von der Polizei 2011 Personenschutz. Es blieb auch darüber hinaus trotz der gesetzlich verankerten Religionsfreiheit in der Türkei für Protestanten weiter schwierig, Gemeinderäume einzurichten und dauerhaft zu erhalten. Obwohl es möglich und in mancher Hinsicht sinnvoll ist, für neu enstandene Gemeinden, die rechtliche Form eines Vereins zu wählen, um legal existieren zu können, ist das noch nicht die endgültige Lösung des Problems der erwünschten staatlichen Anerkennung der Gemeinden, denn eine staatliche Registrierung neu entstehender Kirchen ist weiterhin nicht möglich. 

Im Jahr 2003 gab es Änderungen im Gesetz für Bebauungen durch die Angleichung an die EU-Vorschriften, nach der das Wort Moschee durch den Begriff „Ort der Anbetung“ ersetzt wurde, um es für nichtmuslimische Bürger einfacher zu machen, z. B. auch Kirchenbauten anerkennen zu lassen. Leider ist es in der Praxis für Protestanten aber weiterhin nicht möglich, eine staatliche Registrierung ihrer Kirchen zu erreichen. 

Probleme ergeben sich auch hinsichtlich des Ethik- bzw. Religionsunterrichts: Obwohl Christen vom Islamunterricht befreit sind, müssen sie das beweisen, z. B. durch die Angabe der Religionszugehörigkeit im Personalausweis. Wird dort jedoch als Religionszughörigkeit „Christ“ angegeben, kann das Stigmatisierung und Diskriminierung zur Folge haben. Generell ist Intoleranz gegenüber Nichtmuslimen weit verbreitet. In den Schulen gibt es für Nichtmuslime, die nicht am islamischen Religionsunterricht teilnehmen, kaum Räumlichkeiten, wo sie sich aufhalten dürfen. 

Für das Jahr 2011 zählt der o. g. Bericht insgesamt zwölf physische Attacken auf protestantische Christen und Gemeinden auf. Dazu zählen Steinwürfe, Brandanschläge auf Kirchen, Lärmgranaten im Gottesdienst, versuchte Angriffe mit Waffengewalt und Schläge. So kam es zum Beispiel am 27.03.2011 in der Stadt Bursa in der dortigen protestantischen Gemeinde zu einem Angriff mit einer Lärmgranate, die während des Gottesdienstes geworfen wurde. Es entstand große Panik. Trotz der vorhandenen Videoaufnahme der Tat wurden die Täter bisher nicht gefasst. 

Obwohl es die türkischen Gesetze erlauben, den christlichen Glauben in der Türkei zu verbreiten, zu lehren und zu verkünden, gibt es in der Praxis diesbezüglich weiterhin Schwierigkeiten. Aktivitäten (insbesondere christliche), die den eigenen Glauben in der Öffentlichkeit bekannt machen, werden von Beamten und der Öffentlichkeit in der Regel als gefährlich und illegal eingestuft. Z. B. finden sich Aussagen in einem türkischen Geschichtsbuch der 8. Klasse, die die christliche Mission als eine nationale Gefahr einstufen. Trotz Proteste lehnte das Schulministerium eine Änderung des Schulbuchtextes bisher ab. 

Manche Medien hetzen türkische Bürger mit Verleumdungen und Falschinformationen gegen Christen auf. Manche berufen sich auf Geheimdienstinformationen und nennen utopische Zahlen von über 50.000 protestantischen Hausgemeinden in der Türkei. Diese Übertreibung ist einer der Gründe, warum es immer wieder zu Angriffen auf Christen und Kirchen kommt. 

Positiv wertet der Bericht das Treffen der protestantischen Gemeinden mit dem Menschenrechts-Rektorat des türkischen Ministerpräsidenten und dem Ministerium für Religionsangelegenheiten. Ebenso wird die schriftliche Kommunikation zwischen diesen Gemeinden und dem Schulministerium positiv beurteilt. Des Weiteren war die Direktive des Amts des Ministerpräsidenten am 13.05.2011 ein wichtiger Schritt, die die Rechte von Nicht-Muslimen und ihren Status als gleichberechtige Mitbürger hervorhebt. Der Bericht gibt zudem dem türkischen Staat und seinen Organen Direktiven, wie sie beitragen können, eine Benachteiligung von Christen zu vermeiden. 



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