Montag, 5. September 2016

Ga-ga-Argumente

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Einmal Meckpomm extrascharf


Dirk Maxeiner

„Die Weisheit der Vielen“ heißt ein sehr schönes Buch von James Surowiecki, dessen These lautet, dass die Kumulation von Informationen in Gruppen zu gemeinsamen Gruppenentscheidungen führt, die oft besser sind als Lösungsansätze einzelner Teilnehmer. Das kann so sein, muss aber nicht so sein. Bei der gestrigen Wahl in Mecklenburg-Vorpommern scheint es mir aber so gewesen zu sein.

Zunächst mal ganz grundsätzlich: Die Wahlbeteiligung stieg enorm von 51,4 Prozent auf über 61,1 Prozent. Das spricht für ein gewachsenes demokratisches Bewusstsein der Bevölkerung im Nordosten unseres Landes. Jahrelang wurde die geringe Wahlbeteiligung in östlichen Bundesländern (zu Recht) kritisiert, jetzt haben auch viele derjenigen, die beim letzten Mal zuhause blieben, den Weg in die Wahlkabine gefunden. Dafür müsste man die Bürger im Nordosten doch eigentlich mal laut loben (aber vielleicht macht das ja unser Bundespräsident demnächst mal).

Und jetzt zum Wahlergebnis selbst. Es spricht dafür, dass die Bürger sehr viel klüger sind, als viele im politischen Betrieb ihnen zubilligen mögen. Einerseits haben sie nämlich dafür gesorgt, dass eine Landesregierung (SPD/CDU) und ein Ministerpräsident (SPD), die ihre Sache in der praktischen, alltäglichen Landespolitik wohl gar nicht so schlecht gemacht haben, weiterregieren können. Wie alle Erfahrungen zeigen, wählen die Bürger auf dieser Ebene eher nach Person und Ansehen – und weniger nach Parteibuch. Das ist im Westen ähnlich.

Andererseits haben die Menschen im Nordosten die Gelegenheit genutzt, ihr Unwohlsein über die Bundespolitik und insbesondere die der Bundeskanzlerin zum Ausdruck zu bringen. Zwar sackte auch die SPD mit 30,6 Prozent Stimmenanteil deutlich ab, die CDU (19 Prozent) fiel in Meckpomm aber hinter die AfD zurück, die aus dem Stand auf mehr als 20,8 Prozent kam und nun zweitstärkste Kraft im Landtag ist. Selbst im Wahlkreis der Kanzlerin kam die AfD auf 24,3 Prozent (Vorpommern-Rügen IV) und 25,7 Prozent (Vorpommern-Rügen V).

Ganz nebenbei verschwand die unappetitliche NPD aus dem Landtag, ein Kolateralnutzen des AfD-Aufstiegs. Die Wählerwanderungen zeigen, dass die AfD aber keineswegs nur von ein paar Radikalinskis und Abgehängten gewählt wird, sondern bis tief ins wohlhabendere und gebildete Milieu hinein Anhänger findet. Dahinter steckt auch eine interessante Lehre für die CSU: Würden die Bayern bundesweit antreten, ginge das mit Sicherheit auf Kosten der AfD. Die Bayern trauen sich aber nicht und mosern statt dessen weiter im Führerbunker vor sich hin.


„In solchen Gruppen verfestigt sich eine abgeschottete Bunkermentalität“

So war am Wahlabend schon wieder das ärmlich defensive Argument zu hören,  immerhin hätten fast 80 Prozent die AfD nicht gewählt. Das wird in einer sich selbst überwältigenden Logik als indirekte Zustimmung für Merkels Politik formuliert. Ist allerdings vollkommen gaga: Auch Frau Merkels Partei haben 80 Prozent nicht gewählt, genau genommen waren es sogar 81 Prozent. Und wenn man die Nichtwähler miteinbezieht, dann haben sogar über 90 Prozent Frau Merkels Politik nicht gewählt. Zu allem Überfluss flogen auch noch die Grünen aus dem Schweriner Landtag.  Ob es für Merkels Traumkoalition mit den Özdemir & Co nach der nächsten Bundestagswahl reicht, scheint inzwischen auch zweifelhaft.

Die Politik der offenen Grenze für Zuwanderung wird der Bundeskanzlerin übel genommen, ihr stures verbales Festhalten daran als verbohrt und abgehoben empfunden. „Wenn Entscheidungsträger mentalitäts- und weltanschauungsmäßig einander zu ähnlich sind, werden sie leicht Opfer des Gruppendenkens“, schreibt der erwähnte James Surowiecki in „Die Weisheit der Vielen“. Weil Informationen, die konventionelle Weisheit in Frage stellen könnten, von vorne herein ausgeschlossen oder als offenkundig falsch abgetan werden. In solchen Gruppen verfestigt sich eine abgeschottete Bunkermentalität, die häufig zu vollkommen falschen Einschätzungen der tatsächlichen Lage führt.“

Die Wahl in ihrem Heimatland verfolgte Frau Merkel von China aus – wahrscheinlich ging das auch nicht anders. Dennoch wurde auch dies als Zeichen gedeutet. Da ist eine, die ist längst in höhere internationalen Spähren abgehoben. Umgekehrt mag Frau Merkel gedacht haben: In Mecklenburg-Vorpommern fällt ein Sack Reis um. Es könnte allerdings sein, dass sie selbst das war.



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